Großer böser Wolf
Dienstag, 27. Mai 2014
Der Künstler
Der Morgen kam bereits viel zu früh. Es war 3 Uhr, um genau zu sein, als ich mit Atemnot und schmerzhaft verkrampften Gliedern aufwachte.
Der Raum war dunkel, in dem ich lag. Ich konnte es nicht als "mein Zimmer" betrachten. Dafür war es zu leer.
Zu leer für mich, obwohl es bis unter die Decke vollgestopft war, mit Leinwänden, bemalt und zerrissen, mit Farbtuben und -Eimern, mit Pinseln, Bleistiften und Tusche und jeder Menge Papier unter dreckigen T-Shirts, Hosen und Socken verteilt.
Auf dem Fensterbrett stapelten sich Kaffeebecher und die Scheibe war mit einer dicken Staubschicht bedeckt, welche das Licht aussperrte.
Lediglich vereinzelte Wischspuren verrieten, dass ich ab und zu hinaus sah.
Doch jedes Mal wendete ich mich wieder enttäuscht ab, zeigte es mir doch nicht, was ich erhofft hatte.
Keine Felder, keine Sterne, nur die niemals schlafende Stadt, welche mir zuflüsterte in ihren Straßen verschwinden zu können.
Ich klaubte wahllos T-Shirt und Hose vom Boden auf und zog sie an.
Die Hose hatte eine Loch im linken Knie und das T-Shirt zierten zwei große blaue Farbflecken auf Brust und Schulter.
Als wäre ich in Eile nahm ich mir Zigaretten und Haustürschlüssel vom kleinen Tischchen neben der Haustür und verschwand hinaus in die kühle Nacht.
In der Ferne konnte man die Sirenen der Krankenwagen hören, wie sie wohl zu spät kommen würden, während ich, fast schon zu ruhig, meine erste Zigarette ansteckte.
Ich bekam eine leichte Gänsehaut auf den Oberarmen, was mich nach und nach wach werden ließ.
Ich würde mir nachher einen Kaffee machen müssen, schlafen wollte ich diese Nacht nicht mehr.
"Hast du zufällig eine Zigarette übrig?"
Ich drehte mich um und entdeckte, etwa einen Kopf unter meinem Blickfeld, einen jungen Mann mit dunklen, vom Wind zerzausten, Haaren und fragenden Augen.
Sein grüner Pullover schlackerte etwas an seinem Körper, doch es sah nicht so falsch aus wie man meinen mochte. Er wirkte irgendwie zierlich.
Vielleicht war er ja noch zu jung zum rauchen, der Strick ist uns allen sicher, also fischte ich eine Zigarette aus meiner Schachtel und reichte sie ihm.
"Wie heißt du?", fragte ich, mit noch rauer Stimme, als ich seine Kippe an machte.
Vermutlich hatte ich die Nacht wieder geschrien. Na super, spätestens 9 Uhr würden die Nachbarn wieder vor der Tür stehen.
"Patch.", nuschelte er am Zigarettenrauch vorbei.
"Und du?"
"Jake. Eigentlich Jakob."
Er grinste, als ihm mein T-Shirt auffiel.
Ich fühlte mich etwas fehl am Platz, ähnlich wie ein Nudist in einer katholischen Kirche.
"Bist du Künstler?", fragte er.
Ich stockte nicht lang genug, als ich nur "Ja." zurückgab.
Ich hatte mich bisher nie selbst als solcher bezeichnet.
Warum also jetzt?

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